Fortpflanzung/Balz/Brutpflege

Vogelspinnenmännchen erreichen die Geschlechtsreife je nach Spinnenart im Alter zwischen 18 Monaten und bis zu 5 Jahren. Dann machen sie eine letzte Häutung durch, die sogenannte Reifehäutung. Ein paar Wochen danach ist bei ihnen eine zunehmende Unruhe feststellbar, und sie bereiten sich auf die Fortpflanzung vor: Zuerst wird der Boden des Unterschlupfes sorgfältig mit Spinnseide ausgekleidet. Nun wird in einer Höhe, die in etwa der Körperhöhe der Spinne entspricht, ein zweites, rechtwinkeliges bis trapezförmiges Netz, das sogenannte Spermanetz, angebracht. Das Männchen kriecht nun in Rückenlage zwischen die beiden Netze und heftet einen Spermatropfen aus dem Genitalbereich an die Unterseite des oberen (Sperma)netzes. Dann klettert es auf die Oberseite des Spermanetzes, legt sich mit dem Körper so auf das Gewebe, das sein Sternum genau auf dem Spermatropfen liegt, greift mit den Tastern durch das Gewebe in den Tropfen und saugt mit pumpenden Bewegungen das Sperma in die beiden Bulbi (Geschlechtsorgane des Männchens). Die Spermaaufnahme erfolgt bei Vogelspinnen fast ohne Ausnahme nachts oder in der Dunkelheit der Wohnröhre bzw. des Nestes und dementsprechend schwer zu beobachten. Das Spermanetz wird nach der Aufnahme des Spermas wieder abgerissen.

Je nach Spinnenart begibt sich nun das Männchen sofort auf Brautschau oder es überwintert erst und macht sich erst viel später (bis zu acht Monaten) daran, ein Weibchen zu suchen. Diese kann das Männchen aus einer Entfernung von etwa einem halben Meter wahrnehmen. Das Werberitual wird mit einem Trommeln beider Taster auf dem Erdboden eingeleitet. Jetzt kann es für das Männchen kritisch werden: Ist das Weibchen artfremd oder nicht paarungsbereit, wird es versuchen, das Männchen zu erbeuten.

Bleibt das Weibchen scheinbar ungerührt sitzen, wird hierdurch beim Männchen ein heftigeres Trommeln der Taster und ein artentypisches Bewegungsmuster ausgelöst. Das Männchen nähert sich dem Weibchen und betrommelt (betrillert) den Vorderkörper und die Beine mit seinen Tastern und seinen Vorderbeinen. Das Weibchen bleibt hierbei ruhig sitzten, kann aber selber damit beginnen, das Männchen zu betrillern. Sobald das Weibchen ihre Vorderbeine etwas anhebt, schiebt das Männchen seine eigenen Vorderbeine darunter und hebt so die des Weibchens hoch, um dann seinen Vorderkörper unter den des Weibchens zu schieben. Das Männchen besitzt an ersten Beinpaar sogenannte Schienbeinhaken (Tibiaapophysen), in denen die Chelizeren (bei einigen Arten auch die Vorderbeine) des Weibchens verankert werden, um dieses auf eine gewisse Distanz zu halten.

Schienbeinhaken

Klick mich

Bulbi

Klick mich

Das paarungswillige Weibchen lässt sich nun nach hinten durchsacken und bietet damit den Männchen die Gelegenheit, seine Bulbi in die Samentaschen (Receptacula seminis oder Spermathek) einzuführen und somit das Weibchen zu besamen. Das Sperma kann in diesen Spermatheken über Monate hinweg gespeichert werden, die Befruchtung geschieht erst bei einer Eiablage. Die Kopulationsdauer ist von Art zu Art unterschiedlich lang und reicht von 30 Sekunden bis zu 30 Minuten.

Wenn das Weibchen aus seiner Kopulationsstarre erwacht, das heisst wenn der Nahrungstrieb wieder stärker als der Fortpflanzungstrieb wird, wird es für das Männchen höchste Zeit, Abstand zu gewinnen, um nicht doch noch als willkommene Mahlzeit zu enden. Diese Beschreibung des Themas "Werbung und Kopulation" stellt nur eine grobe Übersicht dar, denn in der Natur ist es ein Thema mit fast 800 Variationen, da jede Spinnengattung seine eigenen Feinheiten und Eigenarten aufweist.

6-8 Wochen nach der Kopulation suchen sich die Weibchen einen versteckten Platz (meistens ist es die eigene Wohnhöhle) deren hinterster Teil durch Auskleiden mit Spinnseide als Bruthöhle ausgebaut wird. Als letzte Massnahme wird schliesslich der Eingang zur Wohnhöhle mit einem extrem dichten Gewebe verschlossen, um Dunkelheit in der Höhle zu gewährleisten. Dann wird der Eikokon hergestellt, wobei das Tier nicht gestört werden darf. Als erstes wird ein tellerförmiges Körbchen mit bis zu 4cm Durchmesser und einer Tiefe von ca. 15mm gewebt. Die Dicke variiert je nach Art zwischen drei und vier Gewebelagen. Das Weibchen presst die Genitalöffnung in das Körbchen, legt die Eier ab und öffnet gleichzeitig die Spermatheken, um die Eier zu befruchten.

Nach der Eiablage wird der Deckel für das "Eierkörbchen" hergestellt, angepasst und beide Hälften an den Berührungsstellen verschlossen. Hierzu werden auch die Wände der Brutkammer hinzugezogen: Sie werden z.T. eingerissen, klppen über den Kokon und werden mitverwoben. Nach einer abschliessenden Gewebe-Aussenschicht, die noch mit einer Art Klebstoff versehen wird, ist der Kokon nun fertig. Das Muttertier schiebt ihn mit den Chelizeren unter die Vorderbeine, legt sich auf den Bauch und verharrt in dieser Stellung 40-50 Tage lang, meist ohne Nahrung zu sich zu nehmen.

Der Kokon wird mit allen Mitteln gegen jeden Eindringling verteidigt, ein Versuch, ihr den Kokon wegzunehmen, würde wohl damit enden, das man das Muttertier mit aus der Wohnhöhle zerrt. Nach dem Schlüpfen der Jungen wird die Verbindung zwischen Körbchen und Deckel gelockert, um den Kleinen den Ausstieg zu erleichtern. Wenn das letzte Jungtier die Mutter verlassen hat, häutet sie sich und geht wieder auf die Jagd nach Beute, um sich von den Strapazen der Brutpflege zu erholen.

 

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